Käthe-Kollwitz-Straße 13
04109 Leipzig
Donnerstag, 15—20 Uhr
Freitag, 12–17 Uhr
Isabell Kamp , Christoph Roßner
6.9. – 24.10.2025
Zusehends sind wir von sich überlappenden und teils widersprüchlichen Erzählungen umgeben. Medien, Politik, aber selbst der Abendessentisch im eigenen Heim werden immer mehr zu Räumen für die Aushandlung von Erzählungen und ihrer Echtheit. Kinder trauen ihren Eltern nicht mehr, Beweise verlieren ihre Bedeutsamkeit, unfassbare Verbrechen werden mit fabrizierten Wahrheiten gerechtfertigt. Das daraus wachsende Misstrauen gegenüber anderen Erzählungen als der eigenen, macht Menschen über längere Zeiträume hinweg krank oder zerschlägt soziale Gruppen, die uns einst verbanden und dem Leben Bedeutung verliehen. Bis vielleicht dann eines Tages ein Stuhl am Abendessentisch leer bleibt. Und je mehr sich die Menschen voneinander isolieren, desto einfacher wird es für destruktive Narrative, sie für sich einzunehmen. Bisher ist es niemandem gelungen, eine effektive, massentaugliche Strategie zu finden, um die Abwärtsspirale der modernen Erzählungskrise zu durchbrechen.
Auseinandersetzungen mit u.a. diesen Fragen und Dynamiken finden sich nun auch in Isabell Kamps und Christoph Roßners Duo-Ausstellung ‚Tales Break Loose‘. Im Gespräch beschreiben sich beide als Erzählerinnen — als Übersetzerinnen, um genau zu sein — was die Frage eröffnet, inwiefern sie mit ihrem Werk die Erzählungen der Welt um uns herum beeinflussen können — eine Frage, die sich nicht vollständig beantworten lässt. Und doch lassen sich Momente des Ausbruchs in den hier gezeigten Arbeiten und ihrem Dialog miteinander entdecken, vielleicht das “Break Loose” des Titels. Oder meinen sie vielleicht das Auf-/ Abbrechen? Oder gar Losbrechen, ja Freimachung? So wenig, wie sich der Titel direkt ins Deutsche übersetzen lässt, und wir manchmal nach Gutdünken selbst entscheiden müssen, wohin uns Isabell und Christoph in ihrer Erzählung führen, so ist dies eventuell gerade ihr größtes Geschenk.
Wohin Christophs Loch in der Wand (“Gebrochene Wand (L.K.)”) genau führt, bleibt unserer Vorstellungskraft überlassen — vielleicht ja in die Plastik-Gefängnisse von Isabells “Push It, Baby!”. Möglicherweise aber drücken die darin gefangenen Hände auch gegen die Fenster in Christophs “Dächer”. Neue Möglichkeiten für vielleicht dem Vergessen anheimgefallen geglaubte Verbindungen untereinander; Inspirationen dafür, wie sich die tief klaffenden Schluchten zwischen den Erzählungen der Gegenwart überbrücken lassen.
Vielleicht braucht es vereinheitlichende Ansätze an unsere Körper, wie sie Isabell in ihren Keramikarbeiten zu suchen scheint. Ihre Bearbeitung, dieses wahrliche “Sprießenlassen” von realistisch-figürlichen Körperteilen und deren Transplantationen in-/ aneinander, wie bspw. in “Blackest Blue”, lassen uns innehalten, bespielen die Unterbrechungen, Leerstellen und Widersprüche in modernen Erzählungen unserer Körper, so wie Christophs Malerei in ihrer nie ganz aufklärbaren Symbolik die Möglichkeit eines einheitlichen Verständnis der Welt und ihre Objekte zu hinterfragen scheint.
So verbinden Isabell Kamp und Christoph Rossner in ihrer ersten Duoshow “Tales Break Loose” gezielt Malerei und Keramik miteinander, um uns so die (Soll-) Bruchstellen in den Erzählungen der Gegenwart als Fenster sichtbar zu machen — anstatt sie als unumgängliche Barrikaden des Widerspruchs einer grundzerstrittenen Menschheit begreifen zu müssen.