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NINA MIELCARZCYK

Thorben Eggers
Zwei Seiten

1.11. – 13.12.2025

Was für eine Autorität besitzt ein Bild, wenn es sich um eine Reproduktion handelt? Und wie verändert sich die Antwort darauf, wenn die genutzte Technik verschiedene Verfahren vereint, die den reproduktiven Charakter verwischen lassen? Thorben Eggers nimmt Fotos von gedruckten Printmedien auf, wählt einen Winkel, einen Bildausschnitt, und bildet sie malerisch täuschend echt ab. Dem inszenierten Objekt wird in seiner gemalten Form auf Leinwand visuelles Interesse verliehen. Sogar die Reflexion des Lichts in dem Hochglanzpapier des gemalten Magazins fängt Eggers ein und gibt sie wieder, sodass das Werk eine Haptik bekommt: Die Oberflächenbeschaffenheit des Papiers wird auf einer ganz anderen Oberfläche, der Leinwand, repräsentiert. Zugunsten des dargestellten Objektes tritt also die leinwandeigene Textur zurück. Gleichzeitig machen die Bildränder Handspuren sichtbar, womit Eggers eine Verlebendigung anstoßen möchte. Geprägt von seinem Aufenthalt in Japan beschäftigt sich Eggers mit der dortigen Wertschätzung von Stofflichkeit. Zum einen findet sich seine Auseinandersetzung mit der Papiertradition Japans in seiner Ikebana no zasshi und Hon Reihen wieder, in welcher aufgeschlagene Magazine, die Blumengestecke oder Druckgrafiken zeigen, als Sujet auftreten. Das Umblättern suggeriert mit seinem Ausblick auf die nächste Seite eine Mehrschichtigkeit in der Deutungsebene: Dass noch etwas hinter dem vordergründigen Bild steckt, dass es zu entdecken gilt.  

Der Künstler thematisiert das Darstellen selbst — er rückt den Fokus auf die technischen Aspekte der Malerei als eine Wissenschaft des Abbildens, die trotzdem stets von Subjektivität gefärbt ist. Als zentrale Strategie ist der Trompe l’oeil zu benennen (französisch für „das Auge täuschen.“) Dieser aus der Stilllebenmalerei stammende Topos engagiert die Betrachtenden zu einer besonders tiefen Auseinandersetzung mit dem Werk. Somit setzen sie sich in Relation zu dem Werk. Eine Werk-Betrachter-Raum Interaktion wird angestoßen, wenn der eigene Körper den Raum betritt, in welchem das Gemälde physisch präsent ist. Durch diese Zusammenkunft kann eine Beziehung aufgebaut werden. Eine solche Bezugnahme bewerkstelligt Thorben Eggers mithilfe manipulierter Größenverhältnisse. Wie groß muss ein Portrait einer Geisha sein, damit Besuchende das abgebildete Gesicht als tatsächliches Gegenüber wahrnehmen? Und wie erreicht man den schwammigen Grenzraum zwischen Erkennung als Gesicht und Erkennung als Abbild? Geishas zählten während seines Japanaufenthalts zu einem seiner Hauptmotive. Sein Interesse gilt besonders dem technischen Nachahmen der Textur von Haut und Haar, aber auch der Symbolik der weißen Schminke. Für den Künstler offenbart die Schminke den schauspielerischen Charakter einer Geisha. Die in der Ausstellung gezeigten Portraits zeigen die individuell gestalteten ausgesparten Bereiche des Nackens, welche die Erfahrung der Geisha widerspiegeln soll und im japanischen Kulturkreis mit erotischer Konnotation belegt ist.

Somit verweist Zwei Seiten nicht nur auf das Umblättern in einem Magazin, sondern ebenfalls auf den vermeintlich dichotomen Status von Original/Vervielfältigung. Wir verbleiben in der Mehrdeutigkeit der Frage: Was ist wirklich zu sehen, und was ist hineinprojizierte Illusion?